Nazi-Vorwürfe vor dem türkischen Referendum: Ankara schadet den Deutschtürken

Im Vorfeld des Referendums am kommenden Sonntag, den 16.04.2017, hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mit seinen inakzeptablen Äußerungen sowohl den Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei als auch den in Deutschland lebenden Türkischstämmigen geschadet.

Erdoğan nimmt das Verbot von Auftritten türkischer Politiker in Deutschland zum Anlass und wirft den Deutschen im Allgemeinen und der Bundeskanzlerin Angela Merkel im Besonderen „Nazi-Methoden” vor. Berlin hat auf diese Angriffe mit diplomatischer Sachlichkeit reagiert.

Der Vorsitzender des VGE (Verband für gesellschaftliches Engagement) Hüseyin Kiper weist auf die Gefahr hin, dass die Deutschtürken als Folge Ankaras Polarisationspolitik zum Spielball bilateraler Konflikte werden könnten: „Wenn Erdoğan Deutschland unberechtigte Vorwürfe macht, treffen diese auch die Türken in Deutschland, für die das Land zur Heimat geworden ist. Zudem sind viele von ihnen deutsche Staatsbürger. Seit Jahrzehnten leben Millionen von Menschen mit türkischen und deutschen Wurzeln friedlich zusammen. Unter den Türken gibt es sowohl Erdoğan-Anhänger als auch -Gegner. Daran ist nichts auszusetzen. Die Übertragung von innertürkischen Konflikte auf diese Art und Weise schadet allen Beteiligten und ist eine Bedrohung für den sozialen Frieden in Deutschland.“ Kiper rief zur Sachlichkeit in der Debatte auf. Der Verband mit Hauptsitz in Berlin sieht öffentliche Debatten für eine demokratische Meinungsfindung als Notwendig: „Sie sind jedoch auf der Grundalge der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu führen.“

Es ist nicht nur die europa- und deutschlandfeindliche Eskalationsrhetorik der türkischen Regierung, die dem Verband, welcher insgesamt 35 Mitgliedsvereine aus dem norddeutschen Raum vertritt, sorge bereitet. Spionagetätigkeiten des türkischen Geheimdienstes MIT und der Diyanet-Imame, Denunziationen und Terrorvorwürfe gegen politische Gegner haben in Deutschland keinen Platz.

In den vergangenen Wochen hat der türkische Geheimdienst Berlin mehrere Listen mit Namen von vermeintlichen Terroristen und Staatsfeinden übergeben. Der BND-Chef Bruno Kahl hat öffentlich auf die sogenannten „Gülen-Listen“ reagiert und gesagt, dass er die Einschätzung Ankaras in Bezug auf die aufgelisteten Namen nicht teile.

Der Verband für gesellschaftliches Engagement (VGE)

Der VGE ist ein unabhängiger Dachverband, der aus verschiedenen Vereinen und Institutionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten besteht. Unter seinem Dach sind 35 eigenständige und gemeinnützige Vereine zusammengeschlossen, die insgesamt 3000 Mitglieder vertreten.